Tempo 30 und mehrere Fahrradstraßen im Zentrum? Der Entwurf für das Mobilitätskonzept der Stadt polarisiert Achim.

Tempo 30 auf bisherigen Vorfahrtsstraßen, grundlegende Änderungen von Verkehrswegen an zentralen Punkten wie dem Bahnhof oder dem Kasch und grundsätzlich weniger Raum als bisher für Autos, um Platz zu schaffen für Radfahrer und Fußgänger. So stellt sich das Planungsbüro LK Argus die Zukunft im Zentrum von Achim vor. Die Reaktionen auf das im Entwurf für ein Mobilitätskonzept nachzulesende Maßnahmenbündel fallen höchst unterschiedlich aus. CDU und AfD im Stadtrat äußern deutliche Kritik. Die FDP warnt vor Schnellschüssen bei diesem komplexen Thema. Grundsätzliche Zustimmung kommt aus den Reihen von SPD und Grünen.

              Worum geht es?

Im Auftrag der Stadt Achim entwickelt LK Argus ein Mobilitätskonzept für die Achimer Innenstadt. Dazu hat das Planungsbüro zunächst die Ist-Situation erfasst und darauf aufbauend konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt. Auch Bürger hatten die Möglichkeit, sich in den Prozess mit eigenen Ideen einzubringen. Nachdem zur Auftaktveranstaltung im November nur eine Handvoll Achimer ins Rathaus gekommen waren, war das Echo auf die folgende Online-Befragung deutlich größer. Etwa 400 Achimer beteiligten sich nach Angaben von Verkehrsplaner Stefan Schuster daran.

              Was schlägt das Planungsbüro vor?

Die Liste der Ideen ist lang. So empfehlen die Planer unter anderem, die Zufahrt von der L 167 in die Straße Zum Achimer Bahnhof und zur Pavillionstraße abzubinden. Die Südseite des Bahnhofs und das angrenzende Wohngebiet sollen stattdessen nur über die Paulsbergstraße und den Philosophenweg erschlossen werden. Die Zufahrt Zum Achimer Bahnhof soll zu einer Fahrradstraße umgewidmet werden.

Eine Neuordnung der Verkehre halten die Fachleute auch an der Ecke Feldstraße/Bergstraße für sinnvoll. Sie bringen „abknickende Vorfahrt“ ins Gespräch: Der von der Obernstraße kommende Verkehr würde nach rechts auf die Bergstraße geleitet. Umgekehrt würden Fahrzeuge von der Bergstraße Vorfahrt haben, wenn sie nach links in die Feldstraße biegen. Ab dem Kasch in Richtung Süden würde die Feldstraße zur Fahrradstraße werden – genau wie die Langenstraße und die Achimer Brückenstraße.

LK Argus rät, an Hauptstraßen im Stadtzentrum die „Höchstgeschwindigkeit in zentralen Abschnitten möglichst auf 30 Stundenkilometer“ abzusenken, die Breite der Fahrbahn auf sechs Meter zu reduzieren und dafür die Seitenräume zugunsten der Fußgänger und Radfahrer zu vergrößern.

Für die Borsteler Landstraße und die Bergstraße schlagen die Planer gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor: Sie sollen „von ehemaligen Vorfahrtsstraße zu Tempo 30-Zonen“ herabgestuft werden, in der Mitte der Fahrbahn soll ein gepflasterter Mittelstreifen entstehen. Der Fahrradverkehr soll vom Radweg auf die Straße geholt werden, und die Gehwege sollen um die dann obsoleten Radwege verbreitert werden. Zudem müssten „weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen“ geprüft werden.

Auch zum Parken im Bereich der Achimer Innenstadt, zur Entwicklung der Fußgängerzone und zur Verbesserung des Nahverkehrsangebots gibt es im Entwurf des Mobilitätskonzepts konkrete Vorschläge.

              Wird das jetzt alles so umgesetzt?

Nein, es handelt sich bislang nur um einen Entwurf. Darin sind die Hinweise der Bürger bislang noch nicht einmal eingearbeitet. Wann das fertige Konzept öffentlich präsentiert wird, steht noch nicht fest. „LK Argus ist aktuell damit beschäftigt, die Antworten aus der Online-Befragung zu sichten und auszuwerten, um sie zusammen mit ihrer gutachterlichen Sicht und unserer Auffassung in den Konzeptentwurf einfließen zu lassen“, sagt Schuster. Darüber hinaus müsse das Mobilitätskonzept inhaltlich mit den anderen Konzepten für die Innenstadt, insbesondere dem Grünflächenkonzept, abgestimmt werden. Welche Schlüsse aus dem Papier gezogen werden, wird dann im Stadtrat und seinen Fachausschüssen diskutiert und beschlossen. Die Erstellung des gesamten Konzeptentwurfs dürfte aufgrund der Komplexität noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, vermutet Schuster. Bereits zeitnah sollen die Ergebnisse der Bürgerbefragung den politischen Gremien der Stadt vorgelegt werden.

              Wie bewerten Achimer Kommunalpolitiker die Vorschläge?

Die CDU kündigt an, ein alternatives Konzept zu dem des Planungsbüros zu entwickeln. Es sei wichtig, dass Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gleichberechtigt im Straßenverkehr behandelt werden müssten. „Eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer auf den Hauptverkehrsstraßen lehnt die CDU  ab.“ Zudem müsse die Südseite des Bahnhofs „weiterhin auch von der Straße Zum Achimer Bahnhof für alle Fahrzeuge, somit auch für Pkw, erreichbar bleiben“. Auch die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich Bergstraße/Feldstraße lehnt die CDU ab.

Für Sebastian Dahlweg, Fraktionsvorsitzender der AfD, ist das Mobilitätskonzept „ein Vorschlag zur Umsetzung von grüner Ideologie“. Es sei nicht realitäts- und praxisnah und zeige, „dass sich Menschen damit befasst haben, die von der Örtlichkeit wenig Ahnung haben“. Die AfD unterstütze einen Ausbau von Fahrradwegen und eine Erweiterung der Anbindung an den Nahverkehr. „Wenn wir aber den Kfz-Verkehr aus dem Zentrum verbannen, begraben wir faktisch die Innenstadt.“

Bedenken äußert auch Hans Baum, Fraktionsvorsitzender der FDP. „Wenn das Rad dazu dient, andere Verkehrsteilnehmer zurückzudrängen, dann muss man ganz genau hinschauen.“ Eine politische Position könne eigentlich nur lauten: „Vorsicht!“ Bei der Frage nach der künftigen Ordnung der Verkehre stünden die meisten Menschen mit sich selbst im Konflikt. „Sie sind Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer – je nachdem, um was es geht und wie das Wetter ist.“

Werner Wippler, der für die SPD im Ausschuss für Wirtschaft und Stadtentwicklung sitzt, erklärt für seine Fraktion: „Wir präferieren das, was in den Entwürfen drin ist.“ Ein Blick auf andere Kommunen – etwa Frankfurt – zeige, dass Fahrradstraßen eine hohe Akzeptanz hätten. Für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Mobilitätskonzept für Achim sei es aber noch zu früh. „Wir wissen ja noch gar nicht, was für Eingaben die Bürger gemacht haben.“

Das sieht Michael Schröter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, genauso. „Das Konzept ist noch nicht fertig.“ Die Grünen würden die Thematik ausführlich bearbeiten, sobald ein fertiges Konzept vorliege. Seiner Ansicht nach stimmt die von LK Argus eingeschlagene Richtung. „Wir finden, das ist genau der richtige Weg.“

Der aktuelle Entwurf des Mobilitätskonzepts für die Achimer Innenstadt ist online einsehbar unter www.achimbewegt.de.

Felix Gutschmidt

Weniger Raum für Autos <https://www.e-pages.dk/weserkurier/170371/article/1818706/1/6/render/?token=8472ba7ff3dfa8dc7d6cae207e58fad7&vl_platform=ios&vl_app_id=com.newscope.weserkurier.PDFReader&vl_app_version=5.35.0>